Historische Materialien könnten verboten werden
Brüssel (ted). Die Zukunft für rollendes Kulturgut könnte schwerer werden. Grund ist ein Vorhaben der Europäischen Union (EU). Sie will die Verwendung von Blei verbieten. Das würde den Karosserie- und Kühlerbau treffen, aber auch solche Professionen wie den Orgelbau, den Metallinstrumentenbau und die Restauratoren von Kirchenfenstern.
In einer Rundmail an seine Mitglieder ruft der Deutsche Automobilveteranen Club (DAVC) zur Unterstützung einer Petition aufgerufen. In der geht es um eine Änderung der sogenannten REACH-Chemikalienverordnung der EU. Geht es nach der EU-Chemikalienbehörde ECHA könnten Karosserie-, Kühler- und Elektrikarbeiten mit historisch korrekten Materialien demnächst nicht mehr erlaubt sein.
Dabei geht es um das schon verbotene Chrom, jetzt um Blei und in Zukunft möglicherweise auch Nickel, alles Stoffe, die für die historisch korrekte Restaurierung von Oldtimern gebraucht werden, wie Peter Diehl in der Zeitschrift kfz-betrieb schreibt.
Um solche Stoffe verarbeiten zu dürfen, müssen die Verarbeiter nachweisen, dass es keine Stoffe mit vergleichbaren Eigenschaften gibt. „Daraus entsteht ein bürokratischer und monetärer Aufwand, den Restaurierungsbetriebe nicht stemmen können“, schreibt Diehl. Die Rede sei von sechsstelligen Eurobeträgen. „Das kommt einem Verbot gleich“, betont der Kfz-Ingenieur.
Es geht ums Blei
Wer an historischen Karosserien, Kühlern oder auch an historischer Elektrik arbeitet, verwenden nach Angaben Diehls oft bleihaltige Zinnlegierungen. Er zählt die Legierungen wie Pb74 Sn25 Sb1 (Schwemmzinn), Pb65 Sn35 (Kühlerzinn) und Sn60 Pb40 (Elektrikzinn) auf. Deren Verwendung sei noch erlaubt. Möglich mache das der Anhang II der EU-Altfahrzeug-Richtlinie 2000/53/EG, dort der einleitende Text und die Ausnahmen 8a und 8b.
Die EU-Chemikalienbehörde ECHA wolle das ändern. Wie Chrom solle auch Blei in den Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen werden, als reines Metall wie als Teil einer Legierung. Der Anhang XIV wird als „Verzeichnis zulassungspflichtiger Stoffe“ bezeichnet.
Petition eingereicht
Der DAVC ruft nun zur Teilnahme und Unterstützung einer Petition auf, die von der Arbeitsgruppe „REACH/Lead & Cultural Heritage“ mit Fritz Cirener, Dr. Ivo Rauch, Dr. Gundula Tutt, Peter Diehl, Mario De Rosa erarbeitet und vom Restaurierungssachverständigen Dr. Ivo Rauch bei der Europäischen Union eingereicht worden ist. Die Arbeitsgruppe ist Teil des Parlamentskreises Automobiles Kulturgut im Deutschen Bundestag (PAK).
Die Petition wird unter anderen von Restaurateuren historischer Orgelpfeifen und Musikautomaten, Blechblasinstrumenten, historischer Dacheindeckungen, Kunstwerken, Bleiverglasungen, historischer technischer Kulturgüter und traditioneller Druckverfahren mit sogenannten Bleitypen unterstützt. Sie alle wären ebenfalls vom Quasi-Verbot von Blei betroffen, stellt Diehl fest. Die Restaurierer von Straßenfahrzeugen darin einzubetten, erscheine angesichts der derzeitigen politischen Großwetterlage sinnvoll. „Es erklärt auch, warum Straßenfahrzeuge in der Zusammenfassung auf der Petitionswebsite unerwähnt bleiben“, schreibt Diehl. Für Blei in Starterbatterien habe die Industrielobby längst eine Ausnahme erwirkt.
Verbot durch die Hintertür
Eine gemeinsame Initiative von vielen Betroffenen habe bereits im Mai 2022 zu über 2.000 Einsprüchen gegen diese Pläne bei der europäischen Chemikalienagentur ECHA geführt, schreibt der PAK in einer Stellungnahme. „Es zeichnet sich inzwischen ab, dass die Europäische Kommission der ECHA-Empfehlung eines totalen Bleiverbotes hoffentlich nicht folgen wird“, heißt es in der Stellungnahme. Allerdings gebe es Bestrebungen, die Grenzwerte für die Konzentration von Blei am Arbeitsplatz auf so extrem niedrige Werte festzulegen, dass sie praktisch nicht eingehalten werden können. Das sei ein Verbot durch die Hintertür stellt der PAK fest. Die wichtige Frage des Arbeitsschutzes sei in diesem Fall jedoch keine von Grenzwerten, sondern müsse durch nachhaltige Schulung beantwortet werden. Deshalb müsse auf das Thema dringend auf verschiedensten Wegen politisch aufmerksam gemacht werden.
Mit der Petition soll erreicht werden, dass traditionelle Bleiwerkstoffe für die handwerkliche, kunsthandwerkliche, künstlerische und erhaltende Arbeit an und mit Kulturgütern sowie historischen Objekten auch künftig verfügbar und verwendbar bleiben muss.
Der PAK und der DAVC bitten um Hilfe. Interessierte könnten mit ihrer Unterschrift dazu beitragen, dass das kulturelle Erbe weiterhin in seiner ganzen Vielfalt erlebbar bleibe und unverfälscht erhalten werden könne.
Um die Petition zu unterstützen, müssen sich Interessierte auf dieser Webseite der Europäischen Kommission registrieren, anschließend die zugesendete Aktivierungsmail bestätigen, die Website erneut aufrufen, sich anmelden, die Petition suchen und den Button „diese Petition unterstützen“ anklicken. Das Ganze dauert nur wenige Minuten.
Diese Petition muss nach den Regeln der EU in den politischen Beratungsprozess einfließen und dort Berücksichtigung finden.