Italiens Polo – Fiat Punto

Fiat Punto (1993–1996). Foto: Autoren-Union Mobilität/Fiat

Fiat Punto (1993–1996). Foto: Autoren-Union Mobilität/Fiat

Vor 30 Jahren vorgestellt

Er ist so etwas wie der italienische VW Polo und teilt sich auch den Anfangsbuchstaben der Modellbezeichnung und die Anzahl der Silben mit dem Wolfsburger: Fiat präsentierte im Spätsommer 1993 den Punto. Bis 2018 wurde der Kleinwagen in drei Generationen mehr als neun Millionen Mal gebaut.

Vorgestellt wurde der Punto vor 30 Jahren im ehemaligen Fiat-Werk Lingotto in Turin, seine Publikumspremiere feierte er auf der IAA 1993 in Frankfurt. Der von Giorgetto Giugiaro designte Fiat Punto war der Nachfolger des Uno, der zeitweise europaweit das meistverkaufte Fahrzeug im Segment B war. Für die Produktion des neuen Modells errichtete Fiat für 5,6 Billionen Lire (damals rund 5,9 Milliarden D-Mark) im süditalienischen Melfi ein komplett neues Werk. Die von Architekt Marco Visconti entworfene Fabrik führte auf einer Fläche von fast 1,9 Millionen Quadratmetern revolutionäre Produktionsmethoden ein, indem sie Zulieferer im selben Komplex und mit direkter Anbindung an die eigentliche Fahrzeugfertigung integrierte. In späteren Jahren wurde der Fiat Punto, der 1995 zu Europas „Auto des Jahres“ gewählt wurde, auch im Turiner Werk Mirafiori, in der Nähe von Palermo auf Sizilien sowie im polnischen Tichy gebaut.

Der Fiat Punto der ersten Generation wurde als drei- oder fünftürige Limousine sowie als Cabriolet angeboten. Im Vergleich zum Vorgänger Uno war der Punto geräumiger und komfortabler mit einem variablen Kofferraum, der mit umgeklappter Rücksitzbank bis zu 1080 Liter Volumen bot. Im Innenraum gab es einige Ausstattungsmerkmale, die bis dahin Fahrzeugen in höheren Segmenten vorbehalten waren.

Zur Wahl standen sechs Motorvarianten. Die Saugbenziner hatten zwischen 1,1 und 1,6 Litern Hubraum und leisteten zwischen 54 PS (40 kW) im Fiat Punto 55 und 90 PS (65 kW) im Punto 90. Topmodell war der Punto GT mit 133 PS (98 kW) aus einem 1,4-Liter-Turbomotor. Im Fiat Punto TD arbeitete ein 1,7-Liter-Turbodiesel mit 70 PS (51 kW) Leistung, dem 1994 ein Saugdiesel mit 57 PS (42 kW) Leistung zur Seite gestellt wurde. Der Fiat Punto verzögerte mit Scheibenbremsen vorne und Trommelbremsen hinten. Beim Topmodell Fiat Punto GT kamen auch an der Hinterachse Scheiben zum Einsatz, an der Vorderachse waren sie innenbelüftet.

Fiat Punto Cabrio (2000).Foto: Autoren-Union Mobilität/Fiat

Fiat Punto Cabrio (2000). Foto: Autoren-Union Mobilität/Fiat

Ab 1994 auch als Cabrio

Das Design des ab 1994 angebotenen viersitzigen Cabriolet stammte ebenfalls von Giugiaro, gebaut wurde es aber bei Bertone. Im Laufe der Jahre folgten besondere Modellvarianten wie der Punto HSD mit besonders umfangreicher Sicherheitsausstattung, der Selecta mit elektrisch gesteuertem stufenlosen Getriebe (ECVT) und der Sporting mit einem kürzer übersetzten Getriebe für sportlichere Fahrweise. 1997 gab es das erste Facelift und später ergänzte ein 1,2-Liter-Benziner mit Vierventil-Zylinderkopf und 85 PS (63 kW) die Motorenpalette. Der Saugdiesel verschwand aus dem Angebot, während der Turbodiesel in zwei Leistungsstufen mit 63 PS oder 69 PS (46 kW/51 kW) zu haben war. Von der ersten Generation des Fiat Punto wurden rund 3,4 Millionen Stück gebaut.

Fiat Punto (1999–2002).Foto: Autoren-Union Mobilität/Fiat

Fiat Punto (1999–2002). Foto: Autoren-Union Mobilität/Fiat

Pünktlich zum 100. Geburtstag der Marke kam im Juli 1999 die zweite Generation der Baureihe (Typ 188) auf den Markt. Das Design verantwortete das hauseigene Centro Stile Fiat, das die dreitürige Version mit einer sportlich-dynamischen Optik und den Fünftürer mit einer eleganteren Linie versah – dadurch unterschieden sich beide Modellversionen äußerlich deutlich. Der Basismotor produzierte aus 1,2 Litern Hubraum 60 PS (44 kW) als Zweiventiler und kam als Vierventiler auf 80 PS (59 kW). Im Punto HGT sorgte ein 1,8-Liter-16V-Benziner mit 131 PS (96 kW) für sportlichen Vortrieb. Ab 2001 gab es diesen Motor auch im Punto Abarth, mit dem Fiat damals eine traditionsreiche Marke wieder aufleben ließ. Der Fiat Punto 1.9 JTD (59 kW/80 PS) war der erste Kleinwagen, dessen Turbodiesel mit Common-Rail-Direkteinspritzung ausgerüstet war. Ohne Turbolader leistete der 1,9-Liter-Vierzylinder 60 PS (44 kW).

Fiat Punto (1999–2002).Foto: Autoren-Union Mobilität/Fiat

Fiat Punto (1999–2002). Foto: Autoren-Union Mobilität/Fiat

Zu den weiteren Neuheiten der zweiten Punto-Generation gehörten neben einer überarbeiteten Hinterachse auch das elektronisch gesteuerte Speedgear-Automatikgetriebe, das manuelle Schaltvorgänge ermöglichte, und die Servolenkung Dualdrive. Der per Knopfdruck aktivierte City-Modus verstärkte die elektrische Unterstützung, so dass zum Beispiel Parkmanöver besonders leicht gingen. Für den Einsatz im Rallyesport wurde eine so genannte Kitcar-Version des HGT entwickelt, die gemäß Reglement auf 1,6 Liter Hubraum reduziert wurde, aber mehr als 215 PS (158 kW) leistete. Der Fiat Punto Rally – ab 2004 Fiat Punto Abarth Rally – feierte zahlreiche Erfolge in der Weltmeisterschaft und in nationalen Championaten, darunter auch in Deutschland mit dem vom Importeur eingesetzten Team Wolfgang Müller/Katharina Schreck.

Fiat Punto Sporting (2003).Foto: Autoren-Union Mobilität/Fiat

Fiat Punto Sporting (2003). Foto: Autoren-Union Mobilität/Fiat

Zum Mai 2003 erhielt der kleine Fiat größere Scheinwerfer sowie einen anderen Kühlergrill und eine neuen Motorhaube. Zwei Turbodiesel führten die zu dieser Zeit neue Multijet-Technologie im Kleinwagensektor ein, sie leisteten als 1.3 16V Multijet 70 PS (51 kW) und als 1,9-Liter-Variante 100 PS (74 kW). Neu war auch ein 90 PS (70 kW) starker 1,4-Liter-Benziner. Der Fünftürer Punto war außerdem als Natural-Power-Variante des 1,2-Liter-Vierzylinders für Erdgas ausgelegt. Je nach Modellversion war der mit manuellem Fünf- oder Sechsganggetriebe beziehungsweise zwei unterschiedlichen Automatikgetrieben ausgerüstet. „Speedgear“ bezeichnete ein stufenloses CVT-Getriebe, das in einer zusätzlichen Schaltgasse ein manuelles Getriebe mit sechs oder sogar sieben Gängen simulierte und Gangwechsel ohne Kupplung ermöglichte. „Dualogic“ war die Bezeichnung für ein elektronisch gesteuertes Getriebe, das zwei Modi zur Wahl stellte: Automatik und Handschaltung.

Zur serienmäßigen Sicherheitsausstattung zählten zu diesem Zeitpunkt unter anderem Airbags für Fahrer und Beifahrer, ABS, Traktionskontrolle und ESP. Satellitennavigation sowie das Radio mit integriertem MP3-Player und CD-Wechsler läuteten eine neue Stufe des Infotainments ein. Die zweite Generation des Fiat Punto wurde in ausgesuchten Ländern noch einige Jahre nach Präsentation der dritten Generation angeboten. Insgesamt wurde eine Stückzahl von rund 2,6 Millionen erreicht.

Vom Grande zum Evo

Die dritte Modellgeneration ab 2005 trug den Namen Grande Punto (Baureihe 199) und war deutlich größer als das Vorgängermodell. Die für Drei- und Fünftürer einheitliche Karosserie war rund 20 Zentimeter länger als der vorherige Fünftürer bei fünf Zentimeter längerem Radstand. Auch in Bezug auf Ausstattung und Eigenschaften entsprach der Fiat Grande Punto eher dem C- als dem B-Segment. Das Karosseriedesign entstand in Zusammenarbeit zwischen dem Centro Stile Fiat und Italdesign-Giugiaro. Zur Wahl standen die Benziner 1.2 8V (48 kW/65 PS) und 1.4 8V (57 kW/77 PS) sowie zwei Turbodiesel mit Multijet-Direkteinspritzung in jeweils zwei Leistungsstufen: mit 1,3 Litern Hubraum und 75 PS (55 kW) beziehungsweise 90 PS (66 kW) sowie als 1.9 Multijet mit 120 PS (88 kW) beziehungsweise 130 PS (96 kW). Auch den Grande Punto gab es als Rallyeauto mit 2,0-Liter-Saugmotor und Allradantrieb. Der Fiat Grande Punto S2000 – ab 2008 als Abarth Grande Punto S2000 – gewann zahlreiche nationale Titel sowie viermal die Rallye-Europameisterschaft.

Genfer Automobilsalon 2010: Abarth Punto Evo.Foto: Autoren-Union Mobilität/Manfred Zimmrmann

Genfer Automobilsalon 2010: Abarth Punto Evo.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Manfred Zimmrmann

2009 löste der modellgepflegte Punto Evo den Grande ab. Die Basis blieb gleich, die neue Bezeichnung Evo sollte den technischen Fortschritt betonen. Neu war beispielsweise ein 1,4-Liter-Benziner mit Multiair-Technologie, bei der die konventionelle Stahlnockenwelle auf der Einlassseite durch eine variabel steuerbare Hydropneumatik ersetzt war. Ab 2008 bildete der Fiat Grande Punto Abarth mit 150 PS (114 kW) die Leistungsspitze, der einen 1,4-Liter-Turbobenziner unter der Haube hatte. Darüber hinaus bot Fiat für diesen Motor einen Tuningkit an, mit dem die Leistung auf 180 PS (132 kW) angehoben wurde. Ebenfalls im Angebot: 1,4-Liter-Benziner, die auch mit Erdgas (CNG) beziehungsweise Autogas (LPG) arbeiteten. Der Evo verfügte serienmäßig über sieben Airbags, darunter ein Knieairbag für die Fahrerseite.

Zum Modelljahr 2012, nun wieder mit dem Namen Fiat Punto, wurde die Motorenpalette komplett auf die Emissionsnorm Euro 6 umgestellt und um den Zweizylinder-Turbo Twin Air erweitert, der aus 0,9 Litern Hubraum 84 PS (62 kW) und ein Jahr später dann 105 PS (77 kW) holte. Neu waren außerdem das Infotainmentsystem Blue & Me, das mittels Bluetooth die Einbindung von Smartphones in die Bordelektronik gestattete, sowie die Software Eco-Drive, die den individuellen Fahrstil analysierte und im Sinne einer Reduzierung von Kraftstoffverbrauch und Umweltbelastung optimieren half.

Der letzte von insgesamt mehr als neun Millionen produzierten Fiat Punto lief am 11. August 2018 in Melfi vom Band. Im Jahr zuvor hatte ihn Euro NCAP noch einmal seinem Crashtest unterzogen – vor allem um zu dokumentieren, welche Fortschritte die Sicherheit im Automobil bis dato gemacht hatte, denn auch der letzte Punto ging in seiner Grundkonstruktion auf das Jahr 2005 zurück. (aum)